Spuren zu Oswald von Wolkenstein
Zu den am intensivsten erforschten Stücken aus der Neustifter Bibliothek zählt die sogenannte Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift aus dem Jahr 1391 (Innsbruck, ULB Tirol, Cod. 960), der einzige Überlieferungsträger geistlicher Spiele an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Besondere Bedeutung kommt dieser Handschrift insofern zu, als es sich um das älteste Beispiel einer deutschen Spieltextsammlung handelt. Enthalten sind drei geistliche Schauspiele: ein Maria-Himmelfahrtsspiel, das erste vollständig erhaltene deutschsprachige Osterspiel und das einzig erhaltene deutschsprachige Fronleichnamsspiel des 14. Jahrhunderts.
Bekannt ist Cod. 960 aber auch wegen einer flüchtig vermerkten Notiz zum Tod des Minnesängers Oswald von Wolkenstein im Jahr 1445 und zur Überführung seines Leichnams nach Neustift. Sie gibt einen Hinweis darauf, dass die Handschrift wohl spätestens seit dieser Zeit im Stift aufbewahrt worden ist.
Seit 1411 war Oswald Pfründner des Stiftes, 1434 ließ er sich während des Ulmer Reichstages vom Kaiser zum Beschützer des Stiftes ernennen. Seinem Testament entsprechend wurde er in der Neustifter Stiftskirche bestattet.
Aufgrund der engen Beziehung des Dichters zu Neustift wird mitunter angenommen, dass er auch zwei seiner Liederhandschriften (A und B) im Skriptorium des Stiftes Neustift herstellen ließ, die sich heute an der ÖNB in Wien (Cod. 2777) und an der ULB Tirol in Innsbruck (ohne Signatur) befinden.