Allgemeiner Tiroler Anzeiger 07.02.1911 : Der Universitätsneubau in Innsbruck. Interessantes über den Bibliotheksbau.

Erschienen
Allgemeiner Tiroler Anzeiger 07.02.1911‚ Seite 8
Titel
Allgemeiner Tiroler Anzeiger 07.02.1911 : Der Universitätsneubau in Innsbruck. Interessantes über den Bibliotheksbau.
Beschreibung
[Auszug]

"Die Universitätsbibliothek ist trotz ihres Namens nicht Universitäts-Institut, sondern öffentliche Staatsbibliothek. Da aber Universitätsprofessoren und Hochschüler zum größten Teil ihr Publikum bilden, wurde die Ausführung des Neubaues in unmittelbarer Nähe der neuen Universität angestrebt. So wurde die Bibliothek in der Platzfrage von der Universität abhängig und soll, wie diese, auf dem wegen der Wassergefahr äußerst ungünstigen Prügelbau errichtet werden. 1909 schien der aufgelassene botanische Garten über den Prügelbau den Sieg davonzutragen, aber schon am 7. März 1910 wurden für die geplanten vier Neubauten die Plätze am Prügelbau festgesetzt.

Die Wiener, Grazer und Lemberger Universitätsbibliothek und das Haus-, Hof- und Staatsarchiv, mit ihren technisch schon überholten Konstruktionen, dienten für den Bibliotheksbau als Muster, doch gelang es, den bereits fertiggestellten Plan, zu beseitigen. Der neue, im Juni 1910 vorgelegte Plan, kann in wesentlichen Teilen nicht befriedigen, doch läßt sich noch die erwünschte Abänderung erhoffen. Das neue Bibliotheksgebäude erstreckt sich mit der Hauptfront (63 Meter, später über 100 Meter lang) längs des Innrains. Es ist dreiteilig: das gegenüber dem neuen Zahlstock sich erhebende Verwaltungsgebäude (32 Meter lang) begrenzt mit der Schmalseite den Universitätsplatz im Osten. Oestlich schließt sich das Stiegenhaus an (15 Meter lang) und an dieses die Magazine, vorläufig 15 Meter, später 62 Meter lang. Der Magazinsbau tritt von der Straße zurück und erhält einen schmalen Vorgarten. Der Verwaltungstrakt hat eine Tiefe von 21, die Magazine von 24 Meter.

[...] Im Verwaltungsgebäude, dessen 21 Meter lange Westfront fensterlos ist und an Oeffnungen nur ein Tor aufweist, sind der Lesesaal (300 Quadratmeter), die Kanzleien, zwei Dienerwohnungen untergebracht und— worauf der Bibliothekar nachdrücklich bestand — für europäische Bibliotheken eine Merkwürdigkeit: ein Erholungsraum. Der Lesesaal erhält reichliches seitliches Oberlicht; seine Lage in der straßenseitigen Südfront des Hauses bedingt hier eine große, fensterlose Fläche. Das Stiegenhaus ist niedriger gehalten als seine massiven Seitenbauten und durch einen kleinen Vorbau gegliedert. Der Magazinsbau wird durch seine schmalen Mauerpfeiler (50 Zentimeter) und breiteren Fenster (1 Meter) einen sehr auffallenden Eindruck machen. Er enthält große Bücherzellen mit je zwei Geschoßen zu 2.30 Meter Höhe, die, gegeneinander abgeschlossen, nur von einem Gange aus betreten werden können. Die künstliche Beleuchtung erfolgt nur vom Gange aus durch Lichtschlitze. Die geplante Einrichtung mit modernen eisernen Bücherkasten würde die angestrebte Sicherung gegen Feuersgefahr vereiteln.

Der Neubau wird sicherlich im Herbst 1913 bezogen werden können. Wenn 50 Dienstmänner oder Soldaten und vier große Postpaketwagen verfügbar sind, kann die Bibliothek in zehn Tagen übersiedelt werden. Der Betrieb wird bis zur Uebersiedlung aufrecht erhalten bleiben."