Innsbrucker Nachrichten 30.06.1924 : Eröffnung der neuen Innsbrucker Universität.

Erschienen
Innsbrucker Nachrichten 30.06.1924, Seite 4
Titel
Innsbrucker Nachrichten 30.06.1924 : Eröffnung der neuen Innsbrucker Universität.
Beschreibung

"Universitäten sind Pflanzungen, für deren Wesensbildung der Boden, in dem sie wurzeln, bestimmend ist. Die Universitäten in Prag, Wien, Leipzig, Heidelberg oder Königsberg, wesensverschieden in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung, ihrem Studien- und studentischen Betriebe, können an keinem anderen Ort gedacht werden, als wo sie sich befinden. Sie wären anderswo niemals so geworden, wie sie sind. Wenn wir uns heute, an dem Tage, an dem wir die Uebersiedlung unserer Universitär in ihr neues Heim begehen, fragen, ob auch die Innsbrucker Universität so fest mit dem Innsbrucker Boden verwachsen ist, daß die Stadt ihr und sie der Stadt ihre besondere Eigenart ausgeprägt hat, so kann ich nur neuerlich den Wunsch aussprechen, den ich schon bei meiner Antrittsrede als Bürgermeister geäußert habe: Daß die Wechselwirkung zwischen beiden sich inniger und fruchtbarer gestalten möge, als sie im allgemeinen in der Vergangenheit gewesen ist. Die Universität, die in Innsbruck ihren Standort erhielt, ist nicht in einer Zeit höchsten geistigen Aufschwunges und wirtschaftlicher Blüte aus dem heimischen Boden empor gewachsen, wie ihre glücklicheren Vorgängerinnen auf deutscher Erde. Sie wurde eingesetzt als Geschenk aus fürstlicher Hand, zur Sicherung fürstlicher Ziele und Bestrebungen, in einer Zeit, in der das deutsche Volk in wirtschaftlicher Not und zersetzenden inneren Kämpfen tief darniederlag. Verfolgt von einem wechselreichen Schicksal, mehrmals aufgelöst und neu in anderer Form wieder gegründet, zeitweilig herabgedrückt zu einer niederen Schule für den Beamtennachwuchs, vermochte sie nicht jene festen Traditionen zu entwickeln, die dem geistigen Leben anderer deutschen Universitäten die Richtung wiesen, und konnte eigentlich erst in der zweiten Hälfte des letztvergangenen Jahrhunderts zu freierem Leben aufatmen. Wenn ich heute diesen Rückblick in die Vergangenheit werfe, so tue ich es, um für uns, für die Stadt und ihre Bürger eine Pflicht für die Zukunft abzuleiten, auf die ich schon früher hingewiesen habe. Wir müssen eifriger und angelegentlicher, als es vielleicht bisher geschehen ist, darnach streben, daß die Universität in Innsbruck auch Innsbrucks Universität werde, ein Stück von uns selbst, ein Besitztum der Stadt, das wir hegen und pflegen müssen als unser teueres Kleinod; und wenn wir die Universität heute in ihr neues Heim begleiten, so soll das nicht eine leere Förmlichkeit sein, sondern wir wollen als Festgabe in dem neuen Hause zurücklassen alles, was wir der Universität bieten können: unsere Liebe, unsere stete Teilnahme an ihren Freuden und Leiden, unsere Anhänglichkeit und das Versprechen unserer Fürsorge für ihr weiteres Schicksal. Der Geist der treudeutschen Bürgerschaft Innsbrucks möge als Genius loci über der Universität walten, sie schützen und ihr Wirken in Verbindung bringen mit dem werktätigen Schaffen der Stadt, mit ihrem ganzen geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben."

Ansprache von Bürgermeister Dr. Eder