Innsbrucker Nachrichten 15.04.1911 : Der Neubau der Innsbrucker Universität.

Erschienen

Innsbrucker Nachrichten 15.04.1911, Seite 2 & 3
Titel
Innsbrucker Nachrichten 15.04.1911 : Der Neubau der Innsbrucker Universität.
Beschreibung
[Vollständige Transkription]

Der Neubau der Innsbrucker Universität.

Aus Wien wird uns geschrieben:

Eine frohe Kunde für Innsbruck kommt heute aus dem Ministerium für öffentliche Arbeiten. Um einen vollen Monat früher, als man erwarten konnte, hat die treffliche Technikerschaft des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, voran die Oberbauräte Reich und Zotter, die Detailprojekte für die im heurigen Jahr zu beginnenden Neubauten des botanischen Institutes und des Bibliotheksgebäudes der neuen Innsbrucker Universität fertiggestellt. Am heutigen Tage ist das Projekt an das Unterrichtsministerium zur Genehmigung abgegangen und es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die Unterrichtsbehörde das in allen Details vollkommen aus gearbeitete Projekt, das nach jeder Richtung hin den Anforderungen moderner Universitätsbauten entspricht, approbieren wird. Das Unterrichtsministerium wird das Projekt mit dem Kostenvoranschlag an das Finanzministerium übersenden und nach dem allerdings gewichtigen Placet dieses Ministeriums wird mit dem ersten Spatenstich für die neuen Universitätsbauten in Innsbruck begonnen werden. Spätestens im Juni oder Juli wird man in Innsbruck sehen, daß es nunmehr der Regierung mit dem dringend notwendigen Neubau der Innsbrucker Universität vollkommen ernst ist und die Innsbrucker akademischen Kreise werden sich täglich von dem Fortschritte des Werkes überzeugen können.

Im Laufe des Jahres werden das Botanische Institut und das Bibliotheksgebäude bis zur Dachgleiche geführt werden und im kommenden Frühjahre der Vollendung entgegengehen, so daß mit dem Wintersemester 1912/13 beide Institute bereits ihren Bestimmungen übergeben werden können. Das neue Botanische Institut, das auf den Gründen des Botanischen Gartens inHötting errichtet wird, ist ein zweistöckiges Gebäude mit allen notwendigen Jnstitutsräumen und Laboratorien, einem großen Hörsaale und mit Mikroskopiersälen. Ein Aquarium wird für das Studium der Süß- und Salzwasserflora eingerichtet werden.

Das Bibliotheksgebäude, das auf den Gründen des sogenannten P r ü g e l b a u e s errichtet wird, ist ein ausgedehntes Gebäude. Der große Lesesaal ist für den Studienbetrieb äußerst praktisch eingerichtet. Die Büchermagazine werden bis unter das Dach geführt und mit Einrichtungen, wie sie an den Bibliotheken der deutschen Universitäten sich bewährt haben, ausgestattet werden. Für die Inkunabeln sind besondere Vorsorgen getroffen. Die reichen Schätze der Bibliothek werden durch besondere Maßnahmen gegen Feuer sowie gegen Staub gesichert und die Konservierung der Bücherschätze wird eine vollkommene sein. Das Bibliotheksgebäude, das vorläufig einen Fassungsraum für 300.000 Bände haben wird, kann jederzeit durch Zubauten von Bücherzellen erweitert werden. Für Licht und Luft ist in den neuen Universitätsgebäuden bestens gesorgt und auch für die Bequemlichkeit wurde entsprechende Vorsorge getroffen. Heizung und Lüftung entsprechen deck Anforderungen der modernen Hygiene und jeder der Professoren, der Studierenden, sowie der sonstigen Bibliotheksbesucher wird raschestens in den Besitz der gewünschten Studienbehelfe gelangen. Was die Fassade des Gebäudes betrifft, so wurde entgegen der ursprünglichen Absicht auf eine reichere Ausgestaltung Bedacht genommen. Beide Bauten werden im Barockstile durchgeführt und schließen sich in harmonischer Weise sowohl dem Stadtbilde als ihrer Umgebung an. Man vermied es im Ministerium für öffentliche Arbeiten, zinskasern ähnliche Bauten auszuführen, sondern gab den Innsbrucker Universitätsgebäuden den Charakter von Villen. Die Fassaden wurden reich silhuettiert. Über dem Eingangstore des Botanischen Institutes wird der Doppeladler angebracht mit der Aufschrift: „Botanisches Institut. K. k. Universität."

Nunmehr schweben bereits interministerielle Verhandlungen bezüglich des Neubaues des Hauptgebäudes und der noch notwendigen Spezialinstitute für die neue Innsbrucker Universität, die sich ebenfalls auf den Gründen des Prügelbaues erheben und im Stile des botanischen Institutes und der Bibliothek erbaut werden sollen. Die Detailprojekte für den Neubau des Hauptgebäudes und der anderen Institute dürften im Laufe des Jahres fertiggestellt werden, so daß vielleicht noch im Frühjahre, spätestens jedoch im Sommer des kommenden Jahres mit diesen Bauten wird begonnen werden können. Der Unterrichtsminister Graf Stürgkh ist sowohl im Abgeordnetenhause gelegentlich der Interpellationsbeantwortung über den Universitätsstreik in Innsbruck, wie auch gegenüber einer Reihe von Tiroler Abgeordneten bindende Verpflichtungen eingegangen, daß die Unterrichtsverwaltung dafür Sorge tragen wird, daß auch in den Budgets der kommenden Jahre die notwendigen Baukredite für den Neubau der Innsbrucker Universität eingestellt werden. Es ist nicht zu zweifeln daran, daß das Finanzministerium, welches sich der Notwendigkeit des in einem Zug durchzuführenden Innsbrucker Universitätsbaues nicht verschließt, die notwendigen Kredite bereitstellen wird.

Für den Unterricht und die Erziehung bei Bevölkerung darf ein Staate sein Opfer zu groß sein und die in Unterrichtsanstalten angelegten Kapitalien verzinsen sich für den Staat tausendfach. Die vollkommene Fertigstellung der Innsbrucker Universität ist frühestens im Jahr 1914 zu gewärtigen. Betrachtet man die fortwährenden slawischen Hochschulforderungen vom Standpunkte der Deutschen in Österreich, die den Löwenanteil für die Auslagen derartiger Bauten aufzubringen haben, so muß an der Forderung festgehalten werden, daß die deutschen Abgeordneten in Österreich zuerst dafür Sorge tragen müssen, daß die bestehenden deutschen Hochschulen in entsprechender Weise ausgestaltet werden. Die Zustände, welche an den deutschen Hochschulen in Österreich herrschen, spotten jeder Beschreibung. Die Räume werden zu eng, die Studienbehelfe sind zu gering und fortgesetzt erleben wir die Schmach, daß namhafte österreichische Forscher und Gelehrte einen Ruf ins Ausland annehmen, wo sie selbst in kleineren Universitätsstädten einen weit würdigeren Rahmen für ihre Lehr- und Forschertätigkeit finden. Das Schaustück, das die Innsbrucker Universität in ihrem jetzigen gepölzten Zustande bietet, ist wahrlich ein klägliches und je früher mit der Demolierung dieses baufälligen Gebäudes begonnen werden wird, umso früher wird die Schande schwinden, daß Lehrer und Schüler in einem baufälligen Hause jahrelang lehren, bezw. lernen mußten.

Heute, wo endlich Ernst mit dem Neubaue der Innsbrucker Universität gemacht wird, wollen wir nicht mäckeln. Heute wollen wir mit Befriedigung konstatieren, daß endlich Ernst gemacht wird. Mit dem Neubaue allein wird es jedoch nicht getan sein. In den schönen Rahmen muß auch ein schönes Bild eingefügt werden und darunter verstehen wir, daß der Staat insbesondere den Kliniken an der medizinischen Fakultät jene Ausgestaltung zuteil werden läßt, welche die moderne Forschung dringend benötigt. Nur dann werden die äußeren und die inneren Verhältnisse an allen Fakultäten und Instituten der Universität auf der Höhe der Zeit stehen, dann werden in Innsbruck Ärzte, Juristen und Lehrern herangebildet werden, welche dem Volke wahren Nutzen zu bringen imstande sind und dann wird auch der Besuch der Innsbrucker Universität einen neuen Aufschwung erfahren, dann wird die Innsbrucker Universität ein geistiges Zentrum im Westen Österreichs bleiben, und dann werden deutsche Forscher und deutsche Gelehrte es nicht scheuen, einen Ruf an die Innsbrucker Universität anzunehmen, dann kann Innsbruck das werden, was heute Heidelberg oder Bonn in Deutschland ist: eine wahre Universitätsstadt. Der Geist, der an einer solchen Universität herrscht, wird auch auf die Bürgerschaft nicht ohne Einfluß bleiben und das neue Quartier Latin, das sich in Innsbruck erheben wird, wird zu einem Brennpunkte des geistigen Lebens der Landeshauptstadt Tirols werden.

Was den Kostenaufwand der im heurigen Jahre zu beginnenden Universitätsballten betrifft, so dürfte schon mit Rücksicht auf die insbesonders in Tirol fortwährende Steigerung der Baupreise ein Betrag von rund 750.000 Kronen erforderlich sein.