Bibliotheksdirektor Hittmair ist mit dem Prügelbauareal als Standort für die neue Universitätsbibliothek nicht einverstanden (10.07.1909)
Erstellende Person/Institution
Bibliotheksdirektor Hittmair
Erstellungsdatum
10.07.1909
Archivierende Institution
Archiv der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Dokument
Bibliotheksdirektor Hittmair ist mit dem Prügelbauareal als Standort für die neue Universitätsbibliothek nicht einverstanden (10.07.1909)
Adressat
Akademischer Senat der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Beschreibung
Hittmair argumentiert gegen den Standort auf dem Prügelbauareal wegen des hohen Grundwasserstandes. Dies lasse keine Unterkellerung zu, bei der die Kellerräume verwendet werden könnten. Damit lasse man wertvollen Raum ungenutzt. Die Senatsmitglieder aber haben kein Verständnis für Hittmairs Bedenken.
Transkription:
K. k. Universitätsbibliothek Z. 175 Innsbruck 10.07.1909
An den akademischen Senat der k. k. Leopold Franzens Universität Innsbruck
Die unterzeichnete Bibliotheks-Vorstehung beehrt sich, ihre Stellungnahme zur Platzfrage für das neue Bibliotheksgebäude bekanntzugeben.
Der weitaus größte Teil der Benützer der Bibliothek sind Angehörige der Universität, daher könnte es aus praktischen Rücksichten angezeigt scheinen, die Bibliothek möglichst nahe jenen Gebäuden unterzubringen, in welchen die meisten Bibliotheksbesucher berufsmäßig beschäftigt sind. Somit käme sie vielleicht oder wahrscheinlich auf den Prügelbau.
Ein maßgebender Fachmann bezeichnete wegen der Wasserverhältnisse und Hochwassergefahr auf dem Prügelbau die Anlage der eigentlichen Bibliothekslokale (Büchermagazine, Lese- und Amtsräume) 1 1/1 m ober dem Straßenniveau für notwendig. Bei dem Fehlen einer Unterkellerung wird trotz den Isolierschichten die Feuchtigkeit in den Mauern eine Gefahr für die Bücher bleiben. Ein Sockelgeschoß wird also zum größten Teil unausgenützt bleiben; das bedeutet bei einer Grundfläche von 1400 m2 … Verlust von Ausstellungsraum bei 1 m Höhe für 140 000 Bände, bei 1 ½ m für 210 000, bei 2 m für 280 000 Bände; die Bibliothek zählt derzeit 230 000 Bände. Die Kosten des Baues werden daher unverhältnismäßig hoch kommen, die Raum- und Geldverschwendung wird sich bei jedem Zubau wiederholen.
Daß aber die größte Sparsamkeit mit dem Raume, dh. die intensivste Raumausnützung notwendig ist, erhellt aus dem Anwachsen der Bibliothek. Der Bücherzuwachs betrug in den letzten 5 Jahren durchschnittlich 8000 vol. Schon unter Zugrundelegung dieses Zuwachses würde die Bibliothek in 90 Jahren 950.000 Bände zählen, die Million wird aber bei der steten Erhöhung des Zuwachses schon in 70 Jahren erreicht oder überschritten sein. Es ist daher jeder Bibliotheksbau zu verwerfen, der zu Raumverschwendung zwingt.
Für die Bibliothek soll ein Platz bestimmt werden, der für trockene Keller sich eignet und die volle Ausnützung des Baues für die Bibliothek gestattet. Es ist auch für die Sicherung der Bibliothekszimelien wertvoll, sie bei Gefahr in Kellerräume retten zu können. Ist das Bibliotheksgebäude nicht weiter al 10-15 Minuten von den Bibliotheksgebäuden entfernt, so ist dies ein befriedigender Zustand. Es trifft ja in der Minderheit der Fälle zu, daß die Besucher von der Universität zur Bibliothek und wieder zur Universität zurück gehen. Viel öfter betreten sie die Bibliothek auf dem Wege von der Wohnung zur Universität und umgekehrt oder mit Vermeidung der Universität.
Wird das Bibliotheksgebäude zur Erreichung möglichster Raumausnützung praktisch gebaut, so wird es wegen seiner schmalen Fensterpfeiler zu den übrigen Universitätsgebäuden nicht passen. Auch eine Deckung durch dieselben ist kaum möglich wegen der Breite des Isolierungsgürtels.
Eine Zentralisierung der wissenschaftlichen Anstalten ist davon großer Bedeutung für die wissenschaftlichen Arbeiten. In Innsbruck bestehen 2 solche Zentren: die medizinischen Institute einerseits, andererseits die Universität ohne medizinische Institute, die Bibliothek, das Staatsarchiv, das Ferdinandeum. Es ist wünschenswert, daß durch den Bibliotheksbau kein 3. Zentrum geschaffen werde.
Der Bibliothekar:
Hittmair
Innsbruck, am 12. Juli 1909
Nro. 1611/R.
Den
Herrn Mitgliedern des akademischen Senates
zur gefälligen Kenntnisnahme.
Der Rektor
C. Ipsen
[Unleserlich]
Flunk
Arnal [?]
M. Hofmann
Gmeiner
Brunner ist auch der Ansicht, daß die vom Herrn Bibliotheksdirektor erwähnten Bedenken, nicht dazu zwingen, vom Prügelbau abzusehen.
F. Hofmann
Scala [?]
Kulisch
Wretschko
Ich halte die Unterbringung von Büchern in Kellerräumen überhaupt für unzulässig. Die Gefahr der Durchfeuchtung der Mauern auf dem Prügelbau wurde von H. Oberbaurath Rizori als nicht ins Gewicht fallend bezeichnet. Auch die übrigen gegen den Prügelbau geltend gemachten Gesichtspunkte in dem Schriftstücke des Herrn Bibliotheksdirectors scheinen mir nicht so zwingend, dass sie den Senat veranlassen könnten, von dem Prügelbau abzusehen. Selbstverständlich kann die Frage die [!] Bibliotheksbaues nur in Zusammenhang mit dem Universitätsneubau gelöst werden. Kommt aber die Universität auf den Prügelbau, so ist dort ein einheitliches Centrum gegeben. Ich kann dem Gedanken, dass in diesem Falle drei Centren geschaffen würden, nicht nachfolgen.
Heider mp.
Ich schließe mich den Ausführungen Prof. Heiders an und halte es für eine selbstverständliche Pflicht, dass der akademische Senat gegen die Bedenken, welche die Bibliotheksvorstehung gegen den Prügelbau-Plan erhebt, auf Grund des Oberbauraths D. Rizori Stellung nehmen. Sollte nicht seitens des Rektorates ein einschlägiger Antrag geplant sein, so würde ich ihn in der 1. Sitzung des […] S. 1909/10 stellen.
Sommer
Ich finde nach den Erfahrungen im hygien. Institute, welches auf einem Grunde erbaut ist, dessen Grundwasser sehr tief (etwa 20-25 M) liegt und welches nordseitig einen tiefen Lüftungsschacht besitzt, also denkbar günstige Verhältnisse darbietet, dass sich Kellerräume überhaupt nicht für die [?] von Bücher eignen.
Lode
Transkription:
K. k. Universitätsbibliothek Z. 175 Innsbruck 10.07.1909
An den akademischen Senat der k. k. Leopold Franzens Universität Innsbruck
Die unterzeichnete Bibliotheks-Vorstehung beehrt sich, ihre Stellungnahme zur Platzfrage für das neue Bibliotheksgebäude bekanntzugeben.
Der weitaus größte Teil der Benützer der Bibliothek sind Angehörige der Universität, daher könnte es aus praktischen Rücksichten angezeigt scheinen, die Bibliothek möglichst nahe jenen Gebäuden unterzubringen, in welchen die meisten Bibliotheksbesucher berufsmäßig beschäftigt sind. Somit käme sie vielleicht oder wahrscheinlich auf den Prügelbau.
Ein maßgebender Fachmann bezeichnete wegen der Wasserverhältnisse und Hochwassergefahr auf dem Prügelbau die Anlage der eigentlichen Bibliothekslokale (Büchermagazine, Lese- und Amtsräume) 1 1/1 m ober dem Straßenniveau für notwendig. Bei dem Fehlen einer Unterkellerung wird trotz den Isolierschichten die Feuchtigkeit in den Mauern eine Gefahr für die Bücher bleiben. Ein Sockelgeschoß wird also zum größten Teil unausgenützt bleiben; das bedeutet bei einer Grundfläche von 1400 m2 … Verlust von Ausstellungsraum bei 1 m Höhe für 140 000 Bände, bei 1 ½ m für 210 000, bei 2 m für 280 000 Bände; die Bibliothek zählt derzeit 230 000 Bände. Die Kosten des Baues werden daher unverhältnismäßig hoch kommen, die Raum- und Geldverschwendung wird sich bei jedem Zubau wiederholen.
Daß aber die größte Sparsamkeit mit dem Raume, dh. die intensivste Raumausnützung notwendig ist, erhellt aus dem Anwachsen der Bibliothek. Der Bücherzuwachs betrug in den letzten 5 Jahren durchschnittlich 8000 vol. Schon unter Zugrundelegung dieses Zuwachses würde die Bibliothek in 90 Jahren 950.000 Bände zählen, die Million wird aber bei der steten Erhöhung des Zuwachses schon in 70 Jahren erreicht oder überschritten sein. Es ist daher jeder Bibliotheksbau zu verwerfen, der zu Raumverschwendung zwingt.
Für die Bibliothek soll ein Platz bestimmt werden, der für trockene Keller sich eignet und die volle Ausnützung des Baues für die Bibliothek gestattet. Es ist auch für die Sicherung der Bibliothekszimelien wertvoll, sie bei Gefahr in Kellerräume retten zu können. Ist das Bibliotheksgebäude nicht weiter al 10-15 Minuten von den Bibliotheksgebäuden entfernt, so ist dies ein befriedigender Zustand. Es trifft ja in der Minderheit der Fälle zu, daß die Besucher von der Universität zur Bibliothek und wieder zur Universität zurück gehen. Viel öfter betreten sie die Bibliothek auf dem Wege von der Wohnung zur Universität und umgekehrt oder mit Vermeidung der Universität.
Wird das Bibliotheksgebäude zur Erreichung möglichster Raumausnützung praktisch gebaut, so wird es wegen seiner schmalen Fensterpfeiler zu den übrigen Universitätsgebäuden nicht passen. Auch eine Deckung durch dieselben ist kaum möglich wegen der Breite des Isolierungsgürtels.
Eine Zentralisierung der wissenschaftlichen Anstalten ist davon großer Bedeutung für die wissenschaftlichen Arbeiten. In Innsbruck bestehen 2 solche Zentren: die medizinischen Institute einerseits, andererseits die Universität ohne medizinische Institute, die Bibliothek, das Staatsarchiv, das Ferdinandeum. Es ist wünschenswert, daß durch den Bibliotheksbau kein 3. Zentrum geschaffen werde.
Der Bibliothekar:
Hittmair
Innsbruck, am 12. Juli 1909
Nro. 1611/R.
Den
Herrn Mitgliedern des akademischen Senates
zur gefälligen Kenntnisnahme.
Der Rektor
C. Ipsen
[Unleserlich]
Flunk
Arnal [?]
M. Hofmann
Gmeiner
Brunner ist auch der Ansicht, daß die vom Herrn Bibliotheksdirektor erwähnten Bedenken, nicht dazu zwingen, vom Prügelbau abzusehen.
F. Hofmann
Scala [?]
Kulisch
Wretschko
Ich halte die Unterbringung von Büchern in Kellerräumen überhaupt für unzulässig. Die Gefahr der Durchfeuchtung der Mauern auf dem Prügelbau wurde von H. Oberbaurath Rizori als nicht ins Gewicht fallend bezeichnet. Auch die übrigen gegen den Prügelbau geltend gemachten Gesichtspunkte in dem Schriftstücke des Herrn Bibliotheksdirectors scheinen mir nicht so zwingend, dass sie den Senat veranlassen könnten, von dem Prügelbau abzusehen. Selbstverständlich kann die Frage die [!] Bibliotheksbaues nur in Zusammenhang mit dem Universitätsneubau gelöst werden. Kommt aber die Universität auf den Prügelbau, so ist dort ein einheitliches Centrum gegeben. Ich kann dem Gedanken, dass in diesem Falle drei Centren geschaffen würden, nicht nachfolgen.
Heider mp.
Ich schließe mich den Ausführungen Prof. Heiders an und halte es für eine selbstverständliche Pflicht, dass der akademische Senat gegen die Bedenken, welche die Bibliotheksvorstehung gegen den Prügelbau-Plan erhebt, auf Grund des Oberbauraths D. Rizori Stellung nehmen. Sollte nicht seitens des Rektorates ein einschlägiger Antrag geplant sein, so würde ich ihn in der 1. Sitzung des […] S. 1909/10 stellen.
Sommer
Ich finde nach den Erfahrungen im hygien. Institute, welches auf einem Grunde erbaut ist, dessen Grundwasser sehr tief (etwa 20-25 M) liegt und welches nordseitig einen tiefen Lüftungsschacht besitzt, also denkbar günstige Verhältnisse darbietet, dass sich Kellerräume überhaupt nicht für die [?] von Bücher eignen.
Lode