Der Bibliothekdirektor bittet angesichts der Kriegsumstände um Verschiebung der im Oktober 1914 geplanten Übersiedlung um mindestens ein halbes Jahr (06.08.1914)

Erstellende Person/Institution
K. k. Universitäts-Bibliothek Innsbruck
Erstellungsdatum
06.08.1914
Archivierende Institution
Tiroler Landesarchiv
Dokument
Der Bibliothekdirektor bittet angesichts der Kriegsumstände um Verschiebung der im Oktober 1914 geplanten Übersiedlung um mindestens ein halbes Jahr (06.08.1914)
Adressat
Rektorat der k. k. Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Beschreibung
Transkription:
Zl 301. am 6. August 1914
An das Rektorat der k. k. Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck

Von Seite des akademischen Senates der k. k. Universität wude mit Zuschrift vom 21. Juli 1914 No. 118b der Wunsche ausgesprochen, die durch die geplante Übersiedlung am Beginne des Monats Oktober durchaus notwendigen Einschränkungen im Lese- und Ausleihverkehr auf das mindeste Maß zu beschränken und zum Teile ganz fallen zu lassen.
Alle diese geplanten und in Durchführung begriffenen Maßnahmen sind die notwendige Folge einer Übersiedlung im Beginne des Oktobers 1914 gewesen. Auf die vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht mit Erlaß vom 10. Juni 1914 Zl. 23234 angeordnete vollständige Schließung vom 20. August bis 15. Oktober d. J. hatte die Übersiedlung in genannter Zeit zur Voraussetzung. Schon damals schien es mehr als zweifelhaft, ob der genannte Termin von einzelnen Geschäfsleuten würde eingehalten werden können, also eine Übersiedlung noch im Oktober 1914 vollendet werden könne.
Nur bei voller Sicherheit für die Übersiedlung im Oktober 1914 konnte von Seite der Bibliotheksvorstehung auch dem Plan Rechnung getragen werden, schon Ende August die Verwaltungs- und Leseräume der alten Anstalt zur Adaptierung für die theologische Fakultät zu räumen.
Durch die am 31. Juli d. J. erfolgte allgemeine Mobilisierung und den eingetretenen Kriegszustand sind jedoch alle diese notwendigen Voraussetzungen nicht nur in Zweifel gezogen, sondern mit Sicherheit aufgehoben.
1. Werden mit Sicherheit die meisten noch auszuführenden Arbeiten, besonders die großen Magazinseinrichtungen wegen Mangel an verfügbaren Arbeitskräften und Transportmitteln und bei dem Umstande, daß durch die bestehende Kriegslage die Pönale für Nichteinhaltung von Terminen wegfallen, gar nicht oder nicht rechtzeitig vollendet werden.* Schon die blosse Unsicherheit im Termin und die Hinausschiebung auch nur auf einige Wochen würde aber bei eröffnung der Universität und dem Eintritt der Winterkälte nur Übersiedlung in diesem Jahre unmöglich machen.
2. Wird keine Transportunternehmung in Innsbruck bei dem vollkommenen Abgang von Arbeitern und Pferden die Übersiedlung dann in der nötigen und vorausgesetzten kurzen Frist ausführen können.
3. Sind ein großer Teil der Bediensteten der Universitätsbibliothek zu den Truppen eingerückt oder erwarten noch ihre Einberufung und es können ohne dieselben weder die Vorbereitungen zur Übersiedlung noch die Übersiedlung selbst durchgeführt werden. Auch der Betrieb in der neuen, weitaus größeren Anstalt könnte mit den Zurückgebliebenen kaum eröffnet und aufrecht erhalten werden.
4. Dürften auch die gegenwärtigen Kriegsumstände mancherlei für die Ausgestaltung wichtigen Kredite verzögern oder in Frage stellen.
*Sind doch bei kleinen Betrieben nicht nur die Hilfskräfte, sondern auch der Gewerbetreibende selbst selbst zu den Truppen abgegangen.
5. Fällt der Umstand, daß die theologische Fakultät die Verwaltungs- und Leseräume der alten Universitäts-Bibliothek zur Adaptierung und Vergrößerung ihrer Studienräume mit dringender Notwendigkeit schon im Oktober bedarf, vollkommen weg, da der Besuch der Fakultät sicher auf etwa einen Drittel der gegenwärtigen Hörerzahl fallen wird, also ein notdürftiges Ausreichen mit den alten Hörsälen wohl gefunden werden kann.
Aus allen diesen triftigen Gründen glaubt der Unterzeichnete, dass ein Einhalten des Oktobertermines für die Übersiedlung der K. K. Universitäts-Bibliothek in das neue Gebäude vollkommen ausgeschloßen sei. Damit würden aber auch alle Voraussetzungen und Folgen entfallen. Es würde
1. der Bibliotheksbetrieb unter Aufhebung aller Beschränkungen in gleicher Weise wie in den früheren Jahren im alten Gebäude mindestens bis zu den Osterferien 1915 wieder laufend fortgeführt werden.
2. Müßten selbstverständlich auch die Adaptierungsarbeiten für die theologische Fakultät in den jetzigen Amtsräumen der Bibliothek auf diesen Zeitaum verschoben werden.
Der unterzeichnete Bibliotheksvorstand beehrt sich alle diese Gründe gegen die Möglichkeit einer Eröffnung der neuen Anstalt im Oktober und für die einstweilige Belassung in dem alten Verwaltungs ... vorzulegen und zu bitten, in diesem Sinne beim K. K. Ministerium für Kultus und Unterricht einzutreten. Unter allen Umständen wäre aber eine Verzögerung der Entscheidung über die Garantie der Vollendung über den 20. August d. J. hinaus, mit welchem sonst die völlige Schließung erfolgen soll, geeignet, einerseits den Betrieb gänzlich lahm zu legen, andererseits die Vorbereitungen für die Übersiedlung mit den wenigen übrig gebliebenen Kräften vollkommen unmöglich zu machen.
Der Bibliotheks-Vorstand: Sprung