Paul Greussing
Lyriker und Schriftsteller von „weichem Gemüt“
In einem zeitgenössischen Nachruf zu Rudolf Paul Greußings relativ frühem Tod im 57. Lebensjahr in der Innsbrucker Neuesten wird der Lebenslauf des Tiroler Dichters wie folgt zusammengefasst: „Paul Rudolf Greußing war geboren am 28. Dez. 1859 als Sohn des Landes-Hauptkassiers Joh. Greußing und der Regierungsratstochter Theresia Blaas, studierte am Gymnasium in Innsbruck und Brixen und war hernach kurze Zeit im Staatsdienste in Hall, Schwaz und Kufstein, wo er seine Frau Anna, geb. Schirhakl, kennen lernte. Später zog er sich nach Telfes im Stubaital zurück, wo er viel Anregung für seine poetischen Arbeiten fand, und übersiedelte hernach nach Innsbruck, wo er sich nur mehr mit literarischen Arbeiten beschäftigte, von denen eine große Anzahl von Büchern und Zeitschriften erschien.“ (Innsbrucker Neueste, 18. April 1916, Seite 3) Auch die Innsbrucker Nachrichten fassen zusammen: „Seine ersten Jugendarbeiten erschienen 1889 in verschiedenen Tiroler Blättern. Von seinen in Buchform herausgegebenen Werken erwähnen wir die Gedichtsammlungen: ‚Sonnenschein und Wetterleuchten‘ und ‚Haideblumen‘, seine ‚Schildereien über Stubai‘, seinen Roman ‚Der Dorfschulmeister‘ und seine in mehreren Auflagen verbreiteten Reiseführer.“ (Innsbrucker Nachrichten, 18. April 1916, Seite 5)
mehr dazu
Wirft man einen genaueren Blick in die historischen Zeitungen, fällt vor allem eine sehr ausführliche Besprechung von Greußings 1903 erschienenem Werk „Im Stubaital – Bilder Sagen und Skizzen; mit Touristenführer und Kärtchen“ auf. Prof. A. Niggl schildert in den Innsbrucker Nachrichten eingehend die von Greußing dargestellten bäuerlichen Motive, wobei er die originelle wie vielleicht auch berechtigte Frage stellt: „Ob von den Sagen nicht manches in das Stubaital getragen, statt aus dem Stubai geholt wurde, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen.“ (Innsbrucker Nachrichten, 29. August 1903, Seite 19) In jedem Fall begeistert von Rudolf Paul Greußings Beobachtungsgabe und Genauigkeit sowie seiner Ursprünglichkeit in der Darstellung ländlich-bäuerlicher Geschichten, stellt Niggl den bestimmenden Ton in Greußings Werk wie folgt dar: „Greußing hat ein weiches Gemüt, Molltöne bilden den Grundakkord seines Wesens. Neben dem offenen Herzen besitzt er aber ein so scharfes Auge für die Tatsachen und Erscheinungen, daß er uns ohne Dissonanz über sonnige Pfade der Poesie in die schroffe Welt des wirklichen Seins zu führen vermag. Seine Form ist knapp, oft vermag er mit einer einzigen Wendung Situationen zu klären und zu zeichnen, selten stößt man auf Plattheiten oder Übertreibungen. Dem Zug in der modernen Malerei entsprechend, strebt er, künstlerischem Gehalt und Reiz im Einfachsten nachzuspüren. Was ihm suggestive Kraft verleiht, ist die Ursprünglichkeit des Dargestellten, die Naivität, der frische Zug der Anschauung und des Erlebnisses. Walzertakte gesunden Humors durch klingen manche Szenen, auch Sarkasmus ohne Böswilligkeit.“ (Innsbrucker Nachrichten, 29. August 1903, Seite 19)
Über die touristischen Ergänzungen im Band „Im Stubaital“ stellt A. Niggl umgekehrt fest, dass diese fehlerhaft seien und den Anschein machen, eilig und unkorrigiert abgeschrieben zu sein. Mehrfach berichtigt Niggl die Aussagen im Fremdenführer, wenn er auch eingesteht, dass die Kombination aus Sagen, Märchen und Skizzen mit einem touristischen Führer durch das Stubaital durchaus reizvoll wäre. Trotzdem sein abschließendes Urteil zu diesem Band – auch als Kommentar zum damaligen Verlagswesen zu lesen, das möglichst günstig produzierte: „Die Ausstattung ist nicht verlockend, das Büchlein kostet aber nur 60 Heller, dafür kann eine Verlagsfirma nicht mehr leisten. Die Greußing'schen Skizzen verdienten eine gefälligere Form, und der fremdenverkehrsgymnastische Anhub könnte meinethalben wegbleiben.“ (Innsbrucker Nachrichten, 29. August 1903, Seite 20)
Dass die Kombination aus volkskundlichen Details und touristischem Führer durchaus eine Konstante in Greußings Werk war, zeigt auch ein Artikel im Kitzbüheler Bezirks-Boten. Berichtet wird über die redaktionelle Übernahme durch Greußing der Reise-und Fremdenzeitung für Tirol und Vorarlberg erschienen im Verlag von A. Koppelstätter in Wilten-Innsbruck. Wieder wird auf die bewährte Mischung verwiesen: „Schriftsteller P. R. Greußing hat es verstanden, der Fremdenzeitung ein würdiges Ziel zu geben und neue Wege zu weisen, dabei führt er sein Programm mit ebensoviel Geschmack, als Umsicht und Energie durch. Drum nimmt man jetzt jede Nummer des Tiroler Fremdenverkehrsorganes mit Vergnügen zur Hand und wird stets befriedigt durch die Mannigfaltigkeit des Inhaltes und die originellen touristischen, schöngeistigen und volkskundlichen Beiträge.“ (Kitzbüheler Bezirks-Boten vom 3. August 1902, Seite 4)