Oskar Nedbal
Oskar Nedbal wurde 1874 in Tabór, Österreich-Ungarn, geboren. Er war „[d]er Begabteste schon am Prager Konservatorium, ein ausgezeichneter Geiger, ein Kompositionsschüler, der seinem Lehrer Anton Dvorak geradezu auffiel, wurde er alsbald als Bratschenspieler des Böhmischen Streichquartetts mit diesem selber weltberühmt“, wie Paul Stefan in einem Nachruf in der Zeitung Die Stunde vom 28. Dezember (S. 6) 1930 schreibt. 1906 schied Nedbal mit einem kleinen Skandal aus dem Quartett aus, zahlreiche Tageszeitungen berichteten darüber, so auch das Mährische Tagblatt am 9. April 1906 (S. 4): „Aus Prag wird telegraphiert, daß der bekannte Komponist Oskar Nedbal, Mitglied des Böhmischen Streichquartetts, seit einiger Zeit aus Prag spurlos verschwunden sei. An seine Verwandten hat er einen Brief gerichtet, daß er nicht mehr nach Prag zurückkehren werde, und einen Advokaten hat er – gleichfalls brieflich – mit der Ordnung seiner Angelegenheiten betraut. Man glaubte ihn in Bukarest, doch diese Annahme erwies sich als irrig. Viel bemerkt wird, daß gleichzeitig mit Herrn Nedbal auch die Gattin eines Berufsgenossen des Künstlers [dem Ersten Geiger des Böhmischen Quartetts] aus Prag abgereist ist. Nedbal ist 32 Jahre alt und Witwer; in Wien ist er hauptsächlich durch sein Ballett ‚Der faule Hans‘, das bekanntlich in der Hofoper zur Darstellung, bekannt geworden.“
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1906 gründete Nedbal das Wiener Tonkünstler-Orchester und wurde dessen Dirigent, das erste Konzert wurde am 10. Oktober 1907 gegeben. Die Wiener Zeitung schreibt am 12. Oktober 1907 (S. 19): „Das neugegründete ‚Wiener Tonkünstlerorchester‘ hat seine jungen Kräfte so rasch organisiert und zusammengefaßt, daß es mit einem Sinfoniekonzerte die Saison eröffnen konnte. [...] Als ständiger Leiter steht Oskar Nedbal an der Spitze der Körperschaft, ein mit Recht sehr geschätzter Tonkünstler, ganz durchtränkt von Musik, ein geborener Dirigent, dessen rhythmische Energie, dessen natürliches, ehrliches Empfinden wir oft bewundert haben, als er noch im böhmischen Streichquartett die Bratschenstimme führte. Seine äußere Haltung am Dirigentenpulte entspricht dem ungekünstelten, soliden, schlichten Innenwesen.“
1913 fand ein weiteres wichtiges Ereignis im Leben von Nedbal statt, seine Operette „Polenblut“ wurde am Carltheater in Wien uraufgeführt und ein voller Erfolg, bis 1926 erlebte sie in Wien 3376 Aufführungen. Der Humorist schreibt am 1. November 1913 (S. 2) darüber: „Oskar Nedbal. Sein Name ist heute wieder in aller Leute Mund und man spricht ihn jetzt in Wien mit besonderer Wärme, besonderer Herzlichkeit aus […]. [M]it der gegenwärtig am Carltheater gespielten Operette „Polenblut“ […] glückte ihm die Mischung von Heiterkeit und Noblesse […]. Da ist slawische Sinnlichkeit und die Kultiviertheit des modernen Musikers, da sind packende Nummern, aber nichts gewaltsam Hineingetragenes, Schwung und Zug und dennoch Bedachtnahme auf die musikdramatischen Erfordernisse. Kurz, es resultierte ein ehrlicher und mit seltener Einmütigkeit allseits anerkannter Operettensieg.“
Nach vielen erfolgreichen Jahren als Komponist und Kapellmeister, gab Oskar Nedbals Tod am 24. Dezember 1930 wieder Anlass zu zahlreichen Spekulationen. Die Salzburger Wacht schreibt am 27. Dezember 1930 (S. 3): „Selbstmord des Komponisten Nedbal. Wien, 25. Dezember. Der bekannte Operettenkomponist Oskar Nedbal, der seit einigen Tagen in Agram zur Erstaufführung seines Balletts ‚Der faule Hans‘ weilte, hat sich am Mittwoch aus dem zweiten Stock des Nationaltheaters in die Tiefe gestürzt. Er erlitt einen schweren Schädelbruch und war auf der Stelle tot. / Ueber die Ursache des Selbstmordes gehen hier verschiedene Gerüchte um. Es heißt, daß ihn ein Leiden in Verbindung mit materiellen Schwierigkeiten zur Tat bewogen haben. […]“ Allerdings wurde die Selbstmord-These auch angezweifelt. Ludwig Karpath, ein Freund Nedbals, schreibt im Neuen Wiener Journal vom 27. Dezember 1930 (S. 5): „Zunächst: ich glaube an keinen Selbstmord, wenn er nicht sonnenklar erwiesen ist. Nach den ersten Meldungen über das traurige Ereignis muss man annehmen, daß niemand im Zimmer war, als das Verhängnis den Unglücklichen und vielleicht mag man gleich hinzufügen, den Verunglückten ereilt hat. Ist dem nun wirklich so, so bin ich überzeugt, daß Oskar Nedbal sein Leben lassen mußte, ohne dies gewollt zu haben.“ Die Spekulationen erreichten jedenfalls auch Innsbruck, die Innsbrucker Nachrichten berichten am 29. Dezember 1930 (S. 4): „Wie die ‚Prager Presse‘ aus Belgrad meldet, hat der Sekretär des Agramer Nationaltheaters näheres zum Tode Oskar Nedbals mitgeteilt. Oskar Nedbal hat nach seinen Mitteilungen bei seiner Ankunft in Agram den Eindruck eines schwer Nervenleidenden gemacht. Er legte große Zerstreutheit an den Tag, und gleich beim ersten Auftreten mußte der Kapellmeister des Nationaltheaters Nedbal zweimal beispringen, weil dieser sich in der Partitur nicht zurechtfand. […]“
Das Märchenballet „Andersen“, aus dem der hier gezeigte „Zinnsoldatenmarsch“ stammt, entstand 1912 und wurde 1914 uraufgeführt. Es gehört nicht zu den bekannteren Werken Nedbals.