Ella von Hötting

Lyrikerin aus Innsbruck - Gabriele Margarethe Fingerland

Der Frühling

 

O sei gegrüßt, gegrüßt

Du holder Frühlingstraum,

Du blauer Himmel,

Du goldene Sonne,

Drüben hör' ich Lieder erschallen

Aus den großen Gartenhallen.

 

Gabriele Margarethe Fingerland veröffentlichte dieses Frühlingsgedicht in ihrem Gedichtband „Meine Gedichte“, der 1902 im Selbstverlag in Innsbruck erschien. Als Pseudonym wählte sie den Namen Ella von Hötting (Hötting ist ein Stadtteil von Innsbruck). Der Gedichtband enthält empfindsame Naturbetrachtungen.

mehr dazu

 

In den Tiroler Zeitungen findet man im Jahr 1899 einen Hinweis darauf, dass sich Fingerland um Anerkennung als Dichterin bemühte. So findet sich in den Innsbrucker Nachrichten in der Rubrik „Briefkasten“ eine Notiz an die Dichterin gerichtet: „Ella von Hötting. Da wir principiell keine Gedichte in unser Blatt auf­nehmen, haben wir Ihr Poem der Redaktion des ‚Scherer‘ eingesendet.“ (Innsbrucker Nachrichten, 6. Mai 1899, Seite 5) Im Scherer vom 15. Mai 1899 findet sich wiederum eine indirekte Antwort auf Fingerlands Anfrage. Die Dichterin wird mit den Worten „Lesen Sie den Aufruf auf Seite 2“ (Scherer, 15. Mai 1899, Seite 8) auf einen Anzeigentext verwiesen. Der Aufruf wendet sich an Schriftsteller:innen, sich in einem Verein zu organisieren, um gegenüber den Verlagen eine bessere Position zu beziehen. Hier der gesamte Text:

 

„Dichtgenossen, Lyriker, schöne Seelen, Unverstandene!

Nach den statistischen Angaben Dr. S. M. Prem's gibt es in Innsbruck allein gegenwärtig 162 lebende ungedruckte Dichter beider Geschlechter.

Es läßt sich nur ahnen, nicht bemessen, wie hoch die Zahl der übrigen im Lande verstreuten ist, welche auf dem Pegasus heimisch sind.

Und sie alle verzehrt ein Sehnen darnach, daß Gutenbergs schwarze Kunst die Liedervögel ihres Busens steigen lasse. Ihnen, den Vereinzelten und ihrer idealischen Bescheidenheit ist es nicht gegeben, den Opfermuth eines Verlegers zur Herausgabe ihrer Gedichte zu begeistern.

Hier ist eine brennende Lücke in unserer so vollkommenen Kultur, die nach Abhilfe schreit. Sie soll ihr werden.

Schaaren wir uns, jede dichtende Seele trete in unseren Kreis (eine Krone Aufnahmsgebühr) und wirke für unsere hohe Sache.

Dichtgenossen, wir wollen einen Verein begründen, wir wollen die Fahne der Poesie hochhalten, damit der Schrei unserer Liedersehnsucht, tausendfach verstärkt, an die eherne Brust der Drucker und Verleger schmettere und wie ein neuer Winkelried Bresche schieße in den lyrischen Markt der Zeitungen, in die Gleichgültigkeit der Leser.

Schleppt Bausteine heran zur ersten That des Vereines, der lyrischen Anthologie die Musenquelle, von der kein Mitglied ausgeschlossen sein soll. (Ein Gedicht Gratis-Abdruck, fernere, sowie selbstredend Bild und Biographie, gegen Kostenerlag.)

Hinwiederum sei es heilige Pflicht jedes Vereinsmitgliedes in seinem Bekanntenkreis voll und ganz unablässig für die Verbreitung der Anthologie zu sorgen und sich für den Ruhm ihrer Mitarbeiter durch Vorlesen in allen zugänglichen Gesellschaftskreisen mit Eifer und unentwegt einzusetzen, damit unser Sehnen und der Wunsch des Dichters sich erfülle, den unser theurer Genosse Hermann von der Mur in seinem neuartigen Sonette so vollendet ausspricht.

 

Wer könnte sich der Dichtung Reiz entwinden,

wem diesbezüglich einmal es gelang,

Daß ein Gedicht ganz unbewußt er sang,

So ohne Denken, bloß nur aus Empfinden.

O glücklich der, der sich dem Reimefinden

Darf voll und ganz hingeben lebelang,

Der, hohes Glück, sich einen Mann errang,

Der es ihm druckt und läßt in Goldschnitt binden.

Zwar unbegreiflich ist's, doch zum beklagen

wie eben ich schon sagte, wenige sind's

Obwohl sie meist die Kosten selber tragen.

So laßt uns denn zu einem Bund vereinen

Zumal wir Dichter hier in der Provinz,

Damit wir auch einmal gedruckt erscheinen.

 

Die bedeutendsten Poeten, wirklich gedruckte und anerkannte Größen, wie Cordula Peregrina, Carl Domanig, Isidor Müller, Heyl, Hofer, haben das Protectorat über den Verein in ihrer so bekannten Großherzigkeit übernommen und demselben damit ihre geistige Weihe mit leuchtendem Stempel aufgedrückt.

Dichtgenossen und Dichtgenossinnen dichtet Begeisterungs-, Weihe- und Gründungslieder und erscheint massenhaft zur gründenden Versammlung.

Mit collegialischem Dichtergruß der vorbereitende Ausschuß.

Siehe die Anzeige — Poetin — in diesem Blatte!“

 

Scherer, 15. Mai 1899, Seite 2

 

Ob sich Gabriele Margarethe Finglerland alias Ella von Hötting von diesem Text angesprochen fühlte oder auch einer derartigen Vereinigung beitrat, lässt sich konkret nicht nachvollziehen. In jedem Fall erfüllte sich die Dichterin mit der Veröffentlichung ihrer Gedichte im Jahr 1902 einen Traum. Das schöne Buch mit einer im Jugendstil gestalteten Umschlagseite ist ein bleibender Beweis dafür, dass nicht alle der genannten Lyriker:innen ungedruckt blieben.