Agnes Bobek
Spätberufene Dichterin nach „glückhafter Erfüllung ihres Frauenberufes“
Die Innsbrucker Nachrichten vom 1. Februar 1936 (Seite 22) enthalten eine schlichte Traueranzeige für die Schriftstellerin Agnes Elisabeth Bobek geb. Petz, aufgegeben von ihrem Ehemann, dem Bundesbahnoberinspektor i. R. Karl Bobek, und ihren vier Kindern, alle standesgemäß verheiratet, samt Enkelkindern und Verwandten. Die Neueste Zeitung schickt einen Nachruf zum Schaffen der 1871 in Marburg a. d. Drau geborenen Autorin hinterher, verfasst von der Dichterkollegin Alice Cszelechowski: „Vor kurzem hat man in aller Stille am Mariahilfer Friedhof in Innsbruck eine seltene Frau zu Grabe getragen, deren Leben in aller Stille abrollte, die in größter Verborgenheit ihre Pflichten als Gattin und Mutter erfüllt hat und so auch in Stille ihr geistiges und dichterisches Schaffen pflegte, nichtsdestoweniger das regste Interesse für alles geistige Leben der Gegenwart bezeigte.“ (Neueste Zeitung, 27. Februar 1936, Seite 3)
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Wie nicht selten in dieser Zeit kam Bobek zuallererst ihren Pflichten als Mutter und Ehefrau nach und wandte sich erst nach „glückhafter Erfüllung ihres Frauenberufes und strengster Opferbereitschaft für die, die ihrer Liebe und Sorgfalt vertraut waren“ (Alice Cszelechowski) ihrer schriftstellerischen Arbeit zu. So erschien erst im Jahr 1928, die Autorin war bereits ca. 60 Jahre alt, das erste Werk der Literatin, der Band „Lieder, die kein Mund noch sang“. Alice Cszelechowski fasst stellvertretend für das gesamte Werk Bobeks zusammen: „Es finden sich köstliche Edelsteine feinsten lyrischen Empfindens, Naturfreude und Heimatliebe darin. Eine Seele wohnt in diesen Liedern, die uns an Anastasius Grün oder Nikolaus Lenau erinnert, schlicht und schwunghaft im Reim, die zur Vertonung laden, was auch vom bekannten österreichischen Komponisten Regierungsrat Doktor Wagner-Schönkirch empfunden wurde, denn viele ihrer Gedichte wurden von ihm zur Vertonung herangezogen; so namentlich der Zyklus ‚Bergfahrt‘ als oratorisches Tongemälde, das häufig am Programm des Wiener Lehrer-a-capella-Chores steht.“ (Neueste Zeitung, 27. Februar 1936, Seite 3)
Der Artikel zählt im Folgenden alle Werke Bobeks auf und zitiert einige ihrer Gedichte, um den Ton der empfindsamen Naturbeschreibungen zu verdeutlichen. Zum Tragen kommen Naturmotive und romantische Sujets wie im Gedicht „Auf waldiger Höhe“, was darauf schließen lässt, dass die Gedichte eventuell schon in jüngeren Jahren geschrieben wurden und erst später zur Veröffentlichung kamen. Die knappen, oft heiter verspielten Gedichte aus dem 1931 erschienen Band „Fabeln und Tiergeschichten“, illustriert von Trude Purtscher, lassen sich umgekehrt als Literatur für Kinder einordnen. Um die patriotisch-revanchistische Einstellung Bobeks in Bezug auf die Südtirol-Frage zu verdeutlichen, zitiert Cszelechowski das Gedicht „Tirol“, das eine erneute Einheit der Landesteile heraufbeschwört: „Die scharfen Augen sehen, Gleichwie vom Adlerhorst, Die wahren Grenzen stehen, Hoch über Felsen, Alm und Forst.“
Zuletzt wird noch auf die angegriffene Gesundheit der Autorin eingegangen, die jedoch diejenigen an ihrem Krankenlager zu trösten wusste, die sie bemitleideten. Alice Cszelechowski schließt ihren Artikel mit den Worten: „Doch waren ihr nur mehr wenige Monde zugemessen. Nun hat der Tod ihr jäh den Stift aus der Hand genommen und sie hineingeführt in jenes Land des ewigen Lichtes, von dem sie in dichterischem Schauen so oft geträumt. Nicht nur die schmerzgebeugten Angehörigen, die erschütterten Freunde, auch alle jene, die ihre nimmermüde Güte und allezeit offene Hand nun entbehren müssen, stehen in Trauer um den blumenüberdeckten Grabhügel, an dem die Schwarzamseln ihrer toten Sangesschwester die ersten scheuen Frühlingslieder darbringen.“ (Neueste Zeitung, 27. Februar 1936, Seite 3)